Frohe Weihnachten

Und wieder ist bald ein Jahr vorüber.

Auch wenn dieses Jahr vermehrt Existenzängste hervorgerufen hat, sei es durch Corona, Inflation, Krieg, Propagierter Energiekrise, versuchter Umsturz, oder persönlicher Schicksalsschläge.

Ich wünsche allen Lesern besinnliche Adventstage, ein gesegnetes Weihnachtsfest und einen guten Übergang in das Jahr 2023. Auf dass es (hoffentlich) für viele wieder besser werde.


 

Das kleine Mädchen mit den Schwefelhölzchen

Ein Märchen nach Erzählung von Hans-Christian Andersen

Es war entsetzlich kalt; es schneite und war beinahe schon ganz dunkel, am letzten Abend des Jahres.
In dieser Kälte und Finsternis ging auf der Straße ein kleines Mädchen, ohne Mütze und nackten Füßen.

Als sie das Haus verließ, hatte sie freilich Pantoffeln angehabt: doch was half es? Es waren die Pantoffeln gewesen, welche ihre Mutter bisher benutzt hatte und viel zu groß für die kleinen Füßchen.

Die Kleine verlor die selbigen, als sie über die Straße weg huschte, da zwei Kutschen sehr schnell vorüber rollten.

Der eine Pantoffel war nicht wieder zu finden, den andern hatte ein Junge erwischt und lief damit fort. Er meinte, er könne ihn recht gut als Wiege benutzen, wenn er selbst erst Kinder hätte.

Da ging nun das Mädchen auf kleinen nackten Füßen, die ganz rot und blau vor Kälte waren. In einer alten Schürze trug sie eine Menge Schwefelhölzer und ein Bund davon in der Hand. Niemand hatte den ganzen langen Tag ihr etwas abgekauft, Niemand ihr einen Pfennig geschenkt.
Zitternd vor Kälte und Hunger schlich sie umher, die arme Kleine.

Die Schneeflocken bedeckten ihr langes, blondes Haar, welches in schönen Locken um den Hals fiel, doch daran dachte sie nun wirklich nicht.

Aus allen Fenstern glänzten die Lichter, und es roch ganz herrlich nach Gänsebraten. Es war Silvesterabend. Ja, daran dachte sie!

In einem Winkel, von zwei Häusern gebildet, von denen das eine etwas mehr vor stand als das andere, setzte sie sich hin und kauerte sich zusammen.

Die kleinen Füße hatte sie an sich gezogen, aber sie fror sie noch mehr und nach Hause zu gehen wagte sie nicht. Sie hatte ja keine Schwefelhölzchen verkauft und brachte keinen Pfennig Geld. Von ihrem Vater würde sie gewiss Schläge bekommen, und zu Hause war es auch kalt.

Über sich hatten sie nur das Dach, durch welches der Wind pfiff, wenn auch die größten Spalten mit Stroh und Lumpen zugestopft waren.

Ihre kleinen Hände waren starr vor Kälte.

Ach! ein Schwefelhölzchen konnte ihr gar wohl tun, wenn sie nur ein einziges aus dem Bunde herausziehen, es an die Wand streichen und sich die Finger erwärmen dürfte.

Sie zog eins heraus. Ratsch – wie es sprühte, wie es brannte.

Es war eine warme, helle Flamme, wie ein Lichtchen, als sie die Hände darüber hielt. Es war ein wunderbares Licht.

Es schien wirklich dem kleinen Mädchen, als säße sie vor einem großen, eisernen Ofen mit polierten Messingfüßen und einem Messing Aufsatz.

Das Feuer brannte so gesegnet, es wärmte so schön. Die Kleine streckte schon die Füße aus, um auch diese zu wärmen. Doch … da erlosch das Flämmchen, der Ofen verschwand und sie hatte nur die kleinen Überreste des abgebrannten Schwefelhölzchens in der Hand.

Ein zweites wurde an der Wand abgestrichen. Es leuchtete hell und wo der Schein auf die Mauer fiel, wurde diese durchsichtig wie ein Schleier. Sie konnte in das Zimmer hineinsehen. Auf dem Tische war ein schneeweißes Tischtuch ausgebreitet, darauf stand glänzendes Porzellangeschirr und herrlich dampfte die gebratene Gans, mit Äpfeln und getrockneten Pflaumen gefüllt. Und was noch prächtiger anzusehen war – die Gans hüpfte von der Schüssel herunter und wackelte auf dem Fußboden, Messer und Gabel in der Brust, bis zu dem armen Mädchen hin.
Da erlosch das Schwefelhölzchen und es blieb nur die dicke, feuchte, kalte Mauer zurück.

Sie zündete noch ein Hölzchen an. Da saß sie nun unter dem herrlichsten Christbaum. Er war noch größer und geputzter als der, den sie durch die Glastüre bei dem reichen Kaufmann gesehen hatte. Tausende von Lichtern brannten auf den grünen Zweigen, und bunte Bilder, wie sie an Schaufenstern zu sehen waren, blickten auf sie herab. Die Kleine streckte ihre Hände danach aus, da erlosch auch dieses Schwefelhölzchen.

Die Weihnachtslichter stiegen höher und höher; sie sah sie jetzt als Sterne am Himmel; einer davon fiel herunter und bildete einen langen Feuerstreifen.
„Jetzt stirbt Jemand!“ dachte das kleine Mädchen, denn ihre alte Großmutter, die Einzige, die sie lieb gehabt hatte, und die jetzt gestorben war, hatte ihr erzählt, dass wenn ein Stern herunterfällt, eine Seele zu Gott emporsteigt.
Sie strich wieder ein Hölzchen an der Mauer ab, es wurde wieder hell, und in seinem Glanz stand die alte Großmutter so klar und schimmernd, so gütig und liebevoll.
„Großmutter!“ rief die Kleine. „Oh nimm mich mit! Ich weiß, Du entfernst Dich, wenn das Schwefelhölzchen erlischt. Du verschwindest, wie der warme Ofen, wie der herrliche Gänsebraten und der große, prächtige Weihnachtsbaum!“
Und sie strich schnell das ganze Bund Schwefelhölzchen, denn sie wollte die Großmutter recht fest halten und die Schwefelhölzchen leuchteten mit einem solchen Glanz, dass es so hell wurde, als wäre es mitten am Tag.

Die Großmutter nahm das kleine Mädchen auf ihre Arme, und beide flogen in Glanz und Freude so hoch, so hoch und dort war weder Kälte, noch Hunger, noch Angst – sie waren bei Gott.

Aber im Winkel an die Mauer gelehnt, saß in der kalten Morgenstunde das kleine Mädchen mit roten Backen und einem Lächeln im Gesicht – erfroren an des alten Jahres letztem Abend.
Die Neujahrssonne ging auf über dem leblosen kleinen Körper.
Starr saß das Kind dort mit den Schwefelhölzchen, von denen ein Bund abgebrannt war.
„Sie hat sich wärmen wollen!“ erzählte man.
Niemand ahnte, was sie Schönes gesehen hatte, in welchem Glanz sie mit der Großmutter zur Neujahrsfreude eingegangen war.